Ortsbestimmungen

Ich habe also die Feldpostnummer (FPN) via forum-der-wehrmacht.de recherchiert. Die FPN 28916E wird mir von einem hilfreichen Geist wie folgt aufgeschlüsselt:
Die FPN gehörte, zu dem Zeitpunkt des Verschwindens, zu der 8. Kompanie des Grenadier-Regiments 122. Dieses Gehörte zur 50. Infanterie-Division (...).

So, jetzt ... jetzt geht die Suche richtig los. Ich habe ja überhaupt keine Ahnung von Armeestrukturen, von Hierarchien, von Krieg ... Plötzlich sehe ich mich konfrontiert mit tausenden von Zahlen: Divisionen, Kompanien, Regimenter. Ich weiß gar nicht, was was ist. Die Division scheint aber die oberste Einheit zu sein.

Bevor ich weiter in die Tiefe suche, überkommt mich der Gedanke daran, was für eine perfekte Verwaltungsapparatur dahinter steckte. Millionen Soldaten, alle feinsäuberlich registriert. Durch ganz Europa geschickt. Verwaltet. Verpflegt. Vermisst. Erstaunlich, wie das alles gestemmt wurde, die Telekommunikation in den Kinderschuhen (im Vergleich zu heute), alle Akten noch per Hand geschrieben, keine schnellen Computerdatenbanken im Hintergrund. Von jeder Akte muss es x Durchschläge gegeben haben, Bergmassive aus Papier.
Aber weiter.

Ende Oktober/Anfang November 1943 wird mein Großvater mit seinem Regiment über Odessa irgendwohin auf die Krim gebracht, er durfte ja keine genauen Ortsangaben machen. Die 50. Infanterie-Division befindet sich spätestens April 1944 in der Gegend von Sewastopol.

Mein Großvater schreibt am 14.11.43: "Wir wurden in Kalinovka ausgeladen das ist ungefähr 100 km vor Kevtsch hier wurden wir in ein Flugzeug verladen und es ging nach Odessa nach einer Zwischenlandung ging es weiter nach der Krim jetzt sitzen wir in Erdlöchern und warten halt was kommt." Im nächsten Brief korrigiert er sich zwar: "Ich glaube ich habe mich auch gestern verschrieben als ich dir schrieb wo wir ausgeladen worden sind, wenn ich Kevtsch geschrieben habe, dann ist es verkehrt, es soll heißen Kiew.", aber anzunehmen ist, dass sein Regiment tatsächlich "über die Straße von Kertsch auf die Krim übergesetzt" wird [nach lexikon-der-deutschen-wehrmacht.de].

Ich suche Kertsch. www.reiseplanung.de ist schlau genug, die richtige Schreibweise zu ermitteln. Kertsch liegt in der Ukraine schon auf der Halbinsel Krim und schreibt sich auf Lateinisch "Kerc". Mein Kartenmaterial von dieser Gegend lässt reichlich zu wünschen übrig, ebenso meine Vorstellung von dieser Gegend. Wie muss es erst meinem Großvater gegangen sein?

Ich suche weiter. Mein Großvater schreibt "Wir wurden in Kalinovka ausgeladen ...". Ich finden einen Ort, der Kalynivka heißt, nordwestlich von Kerc. Kein Maßstab irgendwo, mal sehen, was mein alter Schulatlas hergibt. Nur eine riesen Karte, etwas unübersichtlich, aber ungefähr 100 km entfernt, Pi mal Daumen. Aber warum sollten sie von dortaus noch einmal nach Odessa geflogen sein, 500 km nordöstlich in der Ukraine, nicht mehr auf der Krim, am Schwarzen Meer? Also bin ich doch auf der falschen Spur und grase noch einmal die Gegend um Kiew ab?

Es gibt einen Ort in der Ukraine, der Kalinovka heißt. Ungefähr 50 km südlich von Kiew. Also doch die Kiew-Variante und Kerc hat er nur aus irgendwelchen Erzählungen aufgeschnappt? Wahrscheinlich. Endpunkt der 50. Infanterie-Division war schließlich Sewastopol, dass am 9. Mai 1944 in die Hand der russischen Armee fällt.

Jetzt habe ich also die letzten Monate schonmal so ungefähr (wobei ich es gerne noch etwas genauer wüsste). Und was war davor? Die Spurensuche rückwärts geht also weiter.

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