11. ?                                                    Osten, den 31.10.44

Meine liebe Ellermaus, liebe Kinder!

Eigentlich hätte ich ja schon gestern schreiben müssen, aber es ging nicht und da will ich nun heute schnell das Versäumte nachholen. Es ist jetzt 3 Uhr nachm. hatte bis eben in meinem Loch gedöst und auch etwas ge- schlafen so gut es ging, denn es ist heute ziemlich ruhig, aber es ist ja noch nicht Abend, dafür war es gestern und in der Nacht recht lebhaft. Bin in der Nacht meinen ersten Spähtrupp gelaufen, mit noch 3 Mann, aber es war alles ruhig, hatte keine Feindberührung, nach 2 Stunden war ich wieder zurück. Heute Abend gehe ich zum Sani [= Sanitäter, Anm. des Erfassers], habe nämlich auf dem Körper lauter kleine rote Pickel, von den Läusen kann es nicht sein, denn erstens habe ich noch keine gefunden und zweitens sehen die Bisse doch anders aus. Es kann auch die Krätze sein, denn es ist ja erklärlich, jetzt 14 Tage nicht gewaschen, immer in dem Loch hausen, da kann man schon so etwas bekommen. Es juckt wie verrückt, man könnte sich die ganze Haut herunter reißen, dann hat man dauernd das

Gefühl als wenn einem etwas auf dem Körper krabbelt. Na wollen mal sehen was es ist, früher kam man ja mit soetwas nach hinten, aber heute wird es mit Salbe eingeschmiert, dann geht es wie- der hinein ins Loch. Wie lange soll das bloß noch gehen. Wir sieht es denn zu Hause aus? Ist da alles noch in Ordnung. Was machen die Fliegerangriffe auf Berlin? Mann sieht und hört nichts, ist wie von der Welt abgeschnitten. Sitzt man hier in der Slowakei im nördlichen Zipfel ca 10 km Luftlinie von der polnischen Grenze und weiß überhaupt nicht was los ist. Es ist alles so durcheinander.

Gestern bekamen wir wieder 100 Zigaretten, 2 Flaschen Bier u. etwas Kognak, habe bis jetzt außer der täglichen Ration von 2 Zigaretten, extra 150 Stück bekommen u. 3 x Schnaps, also da habe ich mit der Rauchereit kaum Sorgen, da komme ich gut aus.

Es ist doch wenigstens etwas, wenn man nicht zu darben braucht.

Weißt Du, wenn ich mal so döse oder etwas schlafe, dann träume ich immer gleich von zu Hause, geht es Euch auch so? Ja, ja mein Kind, könnte man nicht zu Hause sein und alles seinen fi friedlichen Verlauf haben, es wär doch zu schön nicht wahr? Aber leider muß man hier in solcher ver- lassenen Gegend, hier und da mal ein Dorf, hoffen und ausharren was da kommen soll. Was uns überhaupt das Land angeht. Na hoffentlich hat alles bald für uns alle ein gutes Ende. Das ersehnt ja heute ein jeder.

Meine Hände sehen aus, wenn Du sie sehen würderst, da könntest Du mit Recht sagen, wie einer der sich 14 Tage nicht mehr gewaschen hat, dann ganz zerrissen und zerschnitten, durch das bddeln, man hat ja förmlich mit den Händenden Lehm und den Morrast herausnehmen müssen, weil es mit dem Spaten garnicht ging, dann die vielen kleinen spitzen Steine da sieht man aus wie ein Müllkutscher so braun. Rasiert habe ich mich in der ganzen Zeit eben einmal, also da sehe ich auch nicht zum Verlieben aus, na ja, viel- leicht werden wir mal abgelöst, dann kann man sich wieder menschlich herrichten.

Was machen unsere Kinder? Sie sind doch ge- wiß recht brav u. artig nicht war, sie sollen mal die Dumen drücken, daß dieser böse Krieg bald ein Ende hat.

Na und Du, mein Kind, bist doch hoffentlich auch brav nicht wahr?

Jedenfalls hoffe ich, dass es Euch allen recht gut geht und Ihr alle gesund seid, was ich ja von mir so einigermaßen auch sagen darf. Habe vergessen die Briefe alle zu nummerieren, ob es nun der 11. ist, weiß ich nicht mehr. Gestern abend haben wir unser Mittag erst nachts um 12 Uhr bekommen, aber was, u. dann alles eisig kalt, man kann es garnicht essen, habe noch etwas zu stehen. Nun meine Lieben, bis zum nächsten Brief, die herzlichsten Grüße u. viele innige Küsse

Euer Papa! Dein Bert.

Grüße an alle Bekannten u. Verwandten.

Die Couverts kann ich fast alle nicht gebrauchen, sind durch die Nässe alle zusammengeklebt.