23. Oktober 1944

Ich weiß garnicht, ist heute Sonntag, der 22. oder Montag der 23.?

8)                                                                  Osten, den 23.? 10.44

Meine liebe Ellemaus, liebe Kinder! Will Euch wieder einen Brief schreiben, damit Ihr etwas von Eurem Lochbewohner etwas hört. Weißt Du, es wär garnicht alles so schlimm, wenn dieser Regen nicht immer wär, man wird überhaupt nicht mehr trocken. Die Schrift mußt Du aber entschuldigen, aber ich sitze hier im Loch und schreibe auf den Knien, groß machen darf ich mich auch nicht, dann schießt immer einer mit Explosivgeschossen über unsere Köpfe, es pfeift nur so, dazu kommt noch eine Pack, die auch dicht dabei ist, da muß man sich schon etwas in acht nehmen. Die Granaten, die durch die Luft sausen, die hört man ja wo sie einschlagen, wenn dann mal eine dicht kommt, dann duckt man sich etwas. Bin nun wieder umgezogen, in dem vorigen Loch konnte ich nur sitzen, das hält man ja nicht aus, von morgens [...4?] bis zum Dunkelwerden, raus konnte ich nicht, da ich dann zu sehen war, es sind ja nur 100-200 m vom Russen entfernt, also raus aus dem Loch, hier bin ich durch ein Gebüsch etwas gedeckt und kann mal rausgehen, dort konnte ich mich ja garnicht bewegen.

Heute schießt es wieder den ganzen Tag, habe jetzt eben paarmal den Kopf einziehen müssen. Manchmal ist es auch unsere Ari, die zu kurz schießt, es gibt jedenfalls von allen Seiten Feuer. Den letzten Brief die ich Dir schrieb, sprach ich von einem ruhigen Tag, na ich hatte gerade den Brief zu, da ging es los, Du kannst es Dir nicht vorstellen, von Mittags bis nach dem Dunkelwerden, kamen sie mit Panzern u. mit Ari-Feuer, wir waren doch froh, daß es dunkel wurde, sie haben aber nichts erreichen können, jetzt werde ich mal im Liegen weiterschreiben, bis es sich wieder beruhigt hat, denn jetzt kommen einige Brocken dicht bei uns herunter, die Splitter flogen mal so. Ja mein Kind, Du siehst es bleibt uns allen nichts verschont, man friert sich tot, dann keinen Schlaf, das Essen ist kalt, wenn es kommt, der Weg ist zu weit, und man sehnt sich so nach etwas Warmen. Gestern gab es noch etwas Marketenderware, 40 Zigaretten, 3 Zigarren, 1/2 Päckchen Tabak und etwas Schnaps, da konnte man wenigstens ein paar nehmen zu heizen, ich meine innerlich. Zigaretten bekommen wir 7 Stck am Tag, also da komme ich schon aus. Nun scheint es wieder etwas ruhiger zu werden, nein weißt Du, wenn doch der Krieg bloß schon aus wär. Mir tun meine Füße weh, als wenn ich auf tausend Nadeln gehe, aber es ist ja kein Wunder, über eine Woche läuft man schon mit quietschnassen Füßen herum, ohne das man die Schuhe aus hatte, man müßte noch ein paar Schuhe zum wechseln haben, aber die gibt es ja leider nicht mehr, trockene Strümpfe anziehen hat ja keinen Zweck, sie sind ja sofort wieder naß, wenn man bloß in eine andere Gegend gekommen wär statt hier, es ist furchtbar, mein Mantel ist so voll Lehmwasser gesogen, daß ich ihn kaum noch allein anziehen kann so schwer ist er, habe ihn vorhin mit dem Löffel abgekratzt, der sieht nicht mehr grau aus der ist jetzt braun. An den Schuhen hat man wenn man läuft, was ja hauptsächlich nur nachts ist, Klumpen von Lehmerde, die Erde ist dermaßen aufgeweicht, wie oft hat man da die Balance verloren und dann hinein in den Brei. Ja, ja meine Lieben, so ist es, außer etwas Husten und etwas Rheuma habe ich ja nichts, d.h. noch nicht, denn hier kann man alles bekommen, wenn Sommer wär könnte man es ja besser aushalten, aber Nachts ist es doch schon ganz schön kühl, na hoffentlich hat bald alles ein gutes Ende. Wie ich hier höre bekommen hier alle schon lange keine Post mehr, da werde ich ja dann auch nichts bekommen können, daß ist schade nicht wahr? Nun meine Lieben, hoffentlich bekommt Ihr meine Post immer laufend, dann bin ich auch schon mit zufrieden. So die Seite wär nun auch voll, und damit der Brief beendet. Bleibt mir alle gesund und munter und seid alle drei recht herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Papa! Dein Bert. Mußt das Papier schon entschuldigen, aber ich muß es nehmen sonst hab ich später nichts mehr.

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